Interferometrische Gravitationswellen­detektoren

Alle modernen Gravitationswellen-Detektoren basieren auf dem Prinzip eines Michelson-Interferometers. Doch wie funktionieren sie genau?

Ein Artikel von Peter Aufmuth

Das Bild zeigt die grundlegende Anordnung für diejenige Sorte von Gravitationswellendetektoren, zu der auch der US-amerikanische aLIGO gehört, perspektivisch dargestellt:

Schematischer Aufbau eines interferometrischen Gravitationswellen-Detektors

Schematischer Aufbau eines interferometrischen Gravitationswellen-Detektors

Von der Lichtquelle L aus laufen die Lichtpulse zu einer Art Weiche T, dem Strahlteiler. Die Hälfte der dort ankommenden Pulse läuft geradeaus weiter zum Spiegel Sp2. Die andere Hälfte wird um 90 Grad abgelenkt und läuft zum Spiege Sp1. Nach einer bestimmten Laufstrecke treffen die Pulse auf einen der Spiegel, werden dort reflektiert und wieder zum Strahlteiler zurückgeworfen.

Auch von den aus Richtung Sp1 (oder Sp2) bei T ankommenden Pulsen wird eigentlich nur die Hälfte zum Lichtdetektor D geleitet, die andere Hälfte zurück zur Lichtquelle L. Wir ignorieren diese zweite Strahlteilung, weil sie für das Grundprinzip keine Rolle spielt, und tun so, als würden all von Sp1 oder Sp2 bei T ankommenden Pulse direkt zum Lichtdetektor D gelenkt. (Um Verwirrung zu vermeiden bezeichnet D den „Lichtdetektor“; wenn von „Detektor“ ohne Zusatz die Rede ist, ist die gesamte Anordnung gemeint, inklusive Lichtquelle, Spiegeln und allem Drumherum.)

Spiegel und Strahlteiler betrachten wir als freie Teilchen, deren Abstände von der Gravitationswelle beeinflusst werden. Der Lauf der Lichtpulse wird, ähnlich wie oben, natürlich auch beeinflusst. Das ganze ist eine Variation eines sogenannten Michelson-Interferometers. Warum wir jetzt zwei Lichtbahnen haben und das Licht am Ende wieder zusammenführen wird weiter unten noch deutlich.

In den echte Gravitationswellendetektoren sind die Abstände zwischen Strahlteiler und Spiegeln sehr groß – bei den größten heutigen Detektoren im Kilometerbereich – während Lichtquelle und Detektor recht nahe am Strahlteiler sitzen. Wichtig wird der Einfluss der Gravitationswelle daher zwischen T und Sp1 bzw. Sp2. Diese Laufstrecken, T–Sp1 bzw. T–Sp2 nennt man die Arme des interferometrischen Detektors.

Berge und Täler des Laserlichts

Licht besteht aus Wellenbergen und Wellentälern (des elektrischen bzw. des magnetischen Felds), die aufeinander folgen. Allerdings reagieren Wellen etwas anders als Teilchen wenn es darum geht, sie z.B. an einem Strahlteiler zusammenzuführen (zu „überlagern“). Die Kombination zweier Teilchen ist „doppelt so viel Teilchen wie vorher“. Die Kombination zweier Wellen kann eine stärkere Welle sein, aber auch – gar keine Welle. Oder eine komplizierte Welle.

Hier ist ein Beispiel für das, was passiert, wenn die unterschiedlichen Wellen vor dem Lichtdetektor wieder zusammengeführt („überlagert“) werden. In meinem ersten Beispiel kommen grüne und rote Punkte jeweils gleichzeitig an, Wellenberg trifft auf Wellenberg und Wellental auf Wellental.

Die entsprechenden Lichtpunkte sind über jeden der im nächsten Diagramm eingezeichneten Wellenberge nur zur Veranschaulichung gesetzt. Die senkrecht gepunkteten Linien zeigen zur Orientierung an, wo sich die Wellenberge der grünen Welle befinden: Das Ergebnis ist im unteren Feld gezeigt, nämlich die Summe der beiden Wellen zu jedem Zeitpunkt, als blaue Linie. Die blaue Linie schwingt noch deutlich mehr als die Einzelwellen. Das Ergebnis ist helles Licht, „konstruktive Interferenz“, mehr Licht als in jeder der Einzelwellen:

Konstruktive Interferenz von zwei identischen Laserwellen erzeugt Laserlicht doppelter Amplitude

Konstruktive Interferenz von zwei identischen Laserwellen erzeugt Laserlicht doppelter Amplitude

Bei unserem Detektor oben war es ohne Gravitationswelle aber genau anders. Dass grüne und rote Lichtpunkte am Detektor ohne Gravitationswelle versetzt ankommen, heißt nämlich, dass die Wellenberge des einen Lichtanteils gerade auf die Wellentäler des anderen treffen und umgekehrt. Das Ergebnis ist fast komplette Auslöschung, „destruktive Interferenz“, und damit nur sehr schwaches oder gar kein Licht am Detektor. Hier ist diese Situation dargestellt, die untere blaue Linie ist wieder die Summe der beiden Wellen darüber:

Destruktive Interferenz von zwei identischen Laserwellen erzeugt eine Auslöschung des Lichts

Destruktive Interferenz von zwei identischen Laserwellen erzeugt eine Auslöschung des Lichts

Die untere blaue Linie bleibt bei Null. Ohne Gravitationswelle kommt am Lichtdetektor offenbar gar kein Licht an. (Das ist bei wirklichen Detektoren fast, aber nicht ganz so.) In der zweiten Animation dagegen, wo die Gravitationswelle durch den Detektor läuft, sieht das mit den Wellen so aus:

Überlagerung von zwei durch Gravitationswellen beeinflusste Laserwellen erzeugt ein komplexes Signal am Detektorausgang

Überlagerung von zwei durch Gravitationswellen beeinflusste Laserwellen erzeugt ein komplexes Signal am Detektorausgang

Beim Durchgang der Gravitationswelle zeigt sich am Lichtdetektor auf einmal ein Signal! Das ist, zumindest in stark vereinfachter Version, das Messprinzip der interferometrischen Gravitationswellendetektoren.

Weitere Informationen

Die relativistischen Grundkonzepte, die diesem Vertiefungsthema zugrundeliegen, werden in Einstein für Einsteiger erklärt, insbesondere im Kapitel Gravitationswellen.

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Kolophon
Peter Aufmuth

ist Physiker am Albert-Einstein-Institut in Hannover und befasst sich mit dem Gravitationswellendetektor GEO600.

Zitierung

Zu zitieren als:
Peter Aufmuth, “Interferometrische Gravitationswellen­detektoren” in: Einstein Online Band 10 (2016), 10-1108