Beobachtung der Gravitationswellen von der Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher

Albert Einstein sagte ihre Existenz bereits im Jahr 1916 vorher, am 14. September 2015 wurden sie erstmals direkt nachgewiesen: Gravitationswellen. Zwei große interferometrische Detektoren der LIGO Scientific Collaboration mit wesentlichen Beiträgen deutscher Forschender spürten das als „GW150914“ bezeichnete Signal auf. Die Welle stammt von der Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher und ist die erste direkte Beobachtung dieser exotischen Objekte.

Ein Artikel von Peter Aufmuth

Albert Einstein sagte aus seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vor einhundert Jahren die Existenz von Gravitationswellen vorher. Dabei handelt es sich um Kräuselungen der Raumzeit, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten und in der Regel dann entstehen, wenn sich Massen beschleunigt bewegen. Gravitationswellen verursachen winzige relative Längenänderungen, so dass Einstein es für unmöglich hielt, sie jemals zu beobachten. Am 14. September 2015 wurden sie nun erstmals direkt gemessen.

Alle modernen Instrumente zur Messung von Längenänderungen sind Laserinterferometer. Dabei wird das Licht eines Lasers mit Hilfe eines halbdurchlässigen Spiegels geteilt und in zwei senkrecht zu einander stehende Richtungen geschickt. An den Enden der beiden Strecken (den „Armen“ des Interferometers) befinden sich Spiegel, die das Licht zurück schicken. Am Ausgang des Interferometers werden die beiden Strahlen überlagert. Je nach Längendifferenz zwischen den Armen schwingen die beiden Teilwellen entweder im Takt und verstärken sich („konstruktive Interferenz“) oder löschen sich gegenseitig aus, im Extremfall vollständig („destruktive Interferenz“).

Je länger die Arme des Interferometers sind, umso einfacher sind die Auswirkungen von Gravitationswellen zu messen. Die Längenänderungen betragen einen Bruchteil h = dl/l der Armlänge l, wobei dl die Änderung der Armlänge durch die Gravitationswelle ist. Für typische astrophysikalische Quellen liegt die relative Längenänderung h in der Größenordnung 10-21 und kleiner.

Es gibt aktuell vier große Interferometer für den Gravitationswellennachweis auf der Welt. Zwei befinden sich in den USA mit je 4 km Armlänge, die in Hanford, Washington, und in Livingston, Louisiana, in 3000 km Entfernung von einander liegen. In Europa gibt es das französisch-italienische Virgo-Projekt mit 3 km Armlänge und GEO600 als deutsch-britisches Projekt mit 600 m Armlänge. Zwischen 2002 und 2010 liefen erste gemeinsame Beobachtungen, aber bisher war die Empfindlichkeit der Detektoren zu gering, um Gravitationswellen nachzuweisen. Alle Projekte arbeiten in der LIGO Scientific Cooperation (LSC) und der Virgo Collaboration zusammen; diese umfassen mehr als tausend Forschende in rund einhundert Institutionen.

Seit 2015 läuft eine verbesserte Version der LIGO-Detektoren: aLIGO (=advanced LIGO). Zwischen 2010 und 2015 wurden dort unter anderem bei GEO600 entwickelte Verbesserungen in die LIGO-Detektoren eingebaut wie beispielsweise ein Laser mit höherer Ausgangsleistung. Dieser wurde vom Albert-Einstein-Institut Hannover und dem Laserzentrum Hannover entwickelt. Er produziert eine Ausgangsleistung von 180 W und hat eine auf ein Millarstel konstante Amplitude. Die aLIGO-Spiegel wurden in einem vom Institute for Gravitational Research der Universität Glasgow entwickelten Verfahren an Glasfasern aufgehängt. So sind Spiegel und Aufhängungen aus dem gleichen Material („monolithische Aufhängung“), was zur deutlichen Reduzierung thermischer Störungen führt. Außerdem wird das Ausgangssignal durch einen zusätzlichen Spiegel mit sich selbst überlagert („signal recycling“). Diese Technik erlaubt eine weitere Empfindlichkeitserhöhung und wurde bei GEO600 erstmals benutzt.

Fund im ersten Beobachtungslauf

Mit all diesen Verbesserungen sollte LIGO den ersten Beobachtungslauf (Observation Run 1 = O1) am 18. September 2015 starten, der bereits am 10. September 2015 vorzeitig begann. Am 14. September wurde in beiden LIGO-Detektoren ein Signal beobachtet (GW150914), das Forschende am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover als erste sahen, denn in den USA war es noch Nacht.

Bildliche Darstellung der miteinander verschmelzenden Schwarzen Löcher, ihr Abstand und die Geschwindigkeit und die entstehende Wellenform nach numerischen Lösungen der Relativitätstheorie

Oben: Geschätzte Gravitationswellenamplitude von GW150914 am Detektor in Hanford. Die Bilder darüber zeigen die Schwarzschild-Horizonte der beiden verschmelzenden Schwarzen Löcher (Umrunden, Verschmelzung, Ausklingen) nach numerischen Lösungen der Relativitätstheorie. Unten: Der effektive Abstand der Schwarzen Löcher in Schwarzschild-Radien RS und die Relativgeschwindigkeit in Einheiten der Lichtgeschwindigkeit. [Bild: LIGO / Redesign: Daniela Leitner]

Der AEI-Mitarbeiter Marco Drago war gerade dabei, seine Datenanalyse-Pipeline auf Atlas einzurichten, den leistungsfähigsten Computercluster der Welt für die Analyse der Daten von Gravitationswellen-Detektoren. Als Marco Drago das sehr starke und klare Signal GW150914 sah, hielt er es im ersten Augenblick für ein eingespeistes Probesignal. Derartige Signale werden hin und wieder von einer kleinen Gruppe von LSC-Forschenden in die Detektoren eingespeist, um die Funktion der Detektoren und der Datenanalysevorhaben zu überprüfen. In der Anfangszeit von O1 war allerdings diese Funktion der Signaleinspeisung noch nicht verfügbar – ein künstliches Signal war also ausgeschlossen.

Genaue Wellenformmodelle zum Vergleich

Um in den Daten den Gravitationswellen auf die Spur zu kommen, berechnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am AEI einen ganzen Reigen möglicher Formen von Gravitationswellen, die beim Verschmelzen von Schwarzen Löchern oder Neutronensternen entstehen. Die so erstellten Wellenmodelle werden dann mit den beobachteten Daten verglichen.

Nur so war es möglich, in den Daten von GW150914 mit einer statistischen Signifikanz von 5 Sigma eine echte Entdeckung zu verkünden – und darüber hinaus auch noch belastbare Aussagen über die Natur der verschmolzenen Objekte zu machen.

Gründliche Analyse des Signals

GW150914 wurde von beiden aLIGO-Detektoren in Hanford und in Washington beobachtet. Es war kürzer als eine halbe Sekunde und nahm über diesen Zeitraum in Frequenz und Amplitude zu. Die maximale Amplitude der relativen Längenänderung lag bei rund 10-21. Eine genaue Analyse des Signals auf Basis der Allgemeinen Relativiätstheorie ergab, dass es von zwei Schwarzen Löchern mit 29 und 36 Sonnenmassen stammte, die rund 1,3 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt verschmolzen waren. Das entstehende Schwarze Loch hatte die Masse von 62 Sonnen – bei der Verschmelzung wurden also 3 Sonnenmassen in Gravitationswellen umgewandelt. Der Großteil der Energie wurde in den letzten 0,2 Sekunden abgegeben – die Verschmelzung strahlte dabei Gravitationswellen mit einer Leistung ab, die zehnmal größer ist als die Leuchtkraft aller Sterne im beobachtbaren Universum.

Wie sicher kann man sein, dass GW150914 wirklich eine Gravitationswelle war? Zum einen wurde das Signal beiden aLIGO-Detektoren mit einer Zeitverzögerung von 7 ms beobachtet – die Laufzeit einer Gravitationswelle zwischen den beiden Detektoren kann maximal 10 ms betragen. Außerdem zeigen beide Signale das gleiche Wellenmuster, was angesichts der etwa gleichen Ausrichtung der Detektoren bei einer astrophysikalischen Quelle zu erwarten ist.

Zeitlicher Verlauf des empfangenen Gravitationswellensignals GW150914 an beiden LIGO-Detektoren und Vergleich mit numerischen Lösungen

Zeitlicher Verlauf des Gravitationswellensignals von GW150914 wie es in Hanford und Livingston aufgenommen wurde. Oben: Relative Längenänderung in Hanford. Mitte: Relative Längenänderung in Livingston. Unten: Überlagerung der beiden Signale. GW150914 erreichte erst Hanford und 7 ms später Livingston. Aufgrund der relativen Orientierung der beiden Detektoren wurde das Signal von Hanford invertiert. [Bild: LIGO / Redesign: Daniela Leitner]

Zudem werde alle Umgebungsdaten an beiden Detektoren überwacht; Schwankungen in der Seismik, dem Umgebungsmagnetfeld, atmosphärischen Bedingungen und in vielen zehntausenden Regelkreisen im Detektor werden überwacht – insgesamt gibt es rund 100.000 solcher Zusatzkanäle. Falls diese Kanäle mögliche Störungen anzeigen, werden die Detektordaten verworfen. Trotz eingehender Untersuchungen konnten zur Zeit des Ereignisses keine solchen Probleme festgestellt werden.

Dennoch ist es möglich, das ein übereinstimmendes Signal mit der physikalisch zu erwartenden Zeitverzögerung rein zufällig aus dem Hintergrundrauschen in beiden Detektoren entsteht. Zur statistischen Beurteilung muss also ermittelt werden wie häufig ein so starkes Signal zufällig entstehen kann. Dies erfordert hinreichend lange Messungen des Hintergrundrauschens und eine sorgfältige Analyse des Rauschens. Die Analyse der Messdaten, die auch GW150914 enthielten, ergaben, dass zufällige Fluktuationen ein ähnlich starkes Signal weniger als einmal in 200.000 Jahren auftreten lassen. Diese „Fehlalarmrate “ lässt sich auch als statistische Signifikanz wie in der Teilchenphysik beschreiben. Für GW150914 beträgt die Signifikanz mehr als 5 Standardabweichung und das Signal erfüllt damit die strengen Anforderungen für ein echtes astrophysikalisches Ereignis.

Derzeit sind die Detektoren um einen Faktor 3 empfindlicher als zuvor – bei niedrigen Frequenzen sogar noch mehr. In den nächsten zwei Jahren soll diese Empfindlichkeit auf das Zehnfache gesteigert werden. Bald sollte man auch weitere Quellen nachweisen, z.B. die Verschmelzung zweier Neutronensterne.

Weitere Informationen

Diese erste Beobachtung von Gravitationswellen wurde mit dem Nobelpreis für Physik 2017 ausgezeichnet.

Die ersten beiden Beobachtungsläufe von LIGO und Virgo resultierten im 2019 veröffentlichten Katalog GWTC-1.

Darin ist auch das Gravitationswellensignal der Verschmelzung zweier Neutronensterne dokumentiert.

Quelle

  • Observation of Gravitational Waves from a Binary Black Hole Merger
    B. P. Abbott et al. (LIGO Scientific Collaboration and Virgo Collaboration)
    Phys. Rev. Lett. 116, 061102
Kolophon
Peter Aufmuth

ist Physiker am Albert-Einstein-Institut in Hannover und befasst sich mit dem Gravitationswellendetektor GEO600.

Zitierung

Zu zitieren als:
Peter Aufmuth, “Beobachtung der Gravitationswellen von der Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher” in: Einstein Online Band 10 (2016), 10-1109