Gravitationswellen / Einsteiger-Tour Teil 3: Gravitationswellen-Astronomie

Eine besondere Eigenschaft der Gravitationswellen ist, dass sie Informationen über die Quellobjekte enthalten – seien es Supernovae, seien es verschmelzende Schwarze Löcher. Dabei gibt es einige wichtige Unterschiede zwischen den Eigenschaften der Gravitationswellen und denen der elektromagnetischen Strahlung wie Licht, Radiowellen oder Röntgenstrahlung, auf deren Nachweis herkömmliche astronomische Beobachtungen beruhen.

Jedes einzelne Atom kann elektromagnetische Wellen aussenden und absorbieren. Das Licht beispielsweise, das uns von einem astronomischen Objekt erreicht, ist daher ein im wahrsten Sinne des Wortes buntes Gemisch der Aussendungen seiner einzelnen Atome. Das hat Vorteile – beispielsweise lassen sich die einzelnen Lichtanteile zu ihrem Ursprungsort zurückverfolgen und zu einem Bild zusammensetzen, das uns die Struktur des betreffenden Objekts zeigt. Es gibt aber auch Nachteile: Dazwischenliegende Atome können Licht absorbieren und zerstreuen, und wir erhalten oft nur ein oberflächliches Bild astronomischer Objekte – das, was wir sehen, verbaut uns den Blick in tiefere Regionen.

Gravitationswellen astronomischer Objekte fügen sich weniger zu einem Bild denn zu einem Orchesterklang zusammen. Was uns von einer Gravitationswellenquelle, etwa einem Neutronensternpaar, erreicht, ist kein unzusammenhängendes Gemisch vieler kleiner Beiträge, sondern eine harmonische Gesamtwelle, die Informationen über ihren großräumigen Entstehungsprozess enthält. Wichtig ist, dass so gut wie alle astronomischen Objekte für Gravitationswellen „durchsichtig“ sind. Diese Wellen können uns daher Informationen aus Regionen zutragen, die anders nicht zugänglich wären – Informationen über die Materieeigenschaften verschmelzender Neutronensterne etwa, oder die Massenbewegungen im Innersten einer Supernova. Verborgene Regionen, die die Physiker bislang allenfalls durch Computersimulationen nachempfinden könnten (in der folgenden Abbildung: die Dichteverteilung im Zentrum einer Supernova), könnten dann direkt „hörbar“ werden.

Zentralregion einer Supernova, eine Sekunde nach Einsetzen der Explosion. Hellere Regionen entsprechen größerer Dichte

Zentralregion einer Supernova, eine Sekunde nach Einsetzen der Explosion. Hellere Regionen entsprechen einer größeren Materiedichte
© L. Scheck, Max-Planck-Institut für Astrophysik

Dementsprechend groß ist das Interesse daran, Gravitationswellen auch direkt nachzuweisen und die in ihnen enthaltenen Informationen zu entschlüsseln, kurz: „Gravitationswellenastronomie“ zu betreiben.

Allerdings führen selbst die gewaltigsten Umwälzungen in unserer kosmischen Nachbarschaft zu Gravitationswellen die, wenn sie die Erde erreichen, nur extrem schwach sind. Eine Supernova-Explosion in einer unserer Nachbargalaxien mag binnen Sekunden die Energie von Billionen Trilliarden Atomsprengköpfen freisetzen und einen Gutteil dieser Energie in Form von Gravitationswellen abstrahlen – auf dem langen Weg hinaus ins All verdünnt sich diese Energie soweit, dass hier auf der Erde nur noch ein höchst kläglicher Gravitationswellenrest ankommt, dessen Raumverzerrung den Abstand der Erde von der Sonne gerade mal um den Durchmesser eines Wasserstoffatoms vergrößert oder verkleinert. Dementsprechend stellt der direkte Nachweis solcher Gravitationswellen eine enorme technische Herausforderung dar.