Kosmologie / Einsteiger-Tour Teil 4: Rätsel des Anfangs
Ab der ersten Millionstel Sekunde stehen die Urknallmodelle auf sicheren Füßen. Wie sich Materie bei den entsprechenden Temperaturen verhält, sagen den Forschern physikalische Theorien wie das Standardmodell der Elementarteilchenphysik, und die aus den Modellen abgeleiteten Vorhersagen zur Elementhäufigkeit und der kosmischen Hintergrundstrahlung ermöglichen eine direkte Überprüfung.
Jenseits dieser Zeitgrenze wird unser Wissen über die Vergangenheit des Weltalls zunehmend unsicherer. Vor der ersten Millionstel Sekunde folgt ein Zeitraum, in dem das Weltall energiereicher war als alle Zustände, die irdische Teilchenphysiker in ihren Beschleunigeranlagen nachstellen können. Nichtsdestotrotz gibt es Ansätze, die Physik des damaligen Universums aus einer Extrapolation des Standardmodells der Elementarteilchenphysik zu rekonstruieren und beispielsweise zu erklären, wie jener leichte Überschuss im ursprünglichen Gemisch von Teilchen und Antiteilchen zustandekam, dem die Materie unseres Universums ihre Existenz verdankt.
Für eine noch frühere Phase haben Teilchenphysiker eine Phase exponentiell beschleunigter Ausdehnung postuliert, die Inflationsphase heißt. Sie soll einige Eigenschaften des Universums erklären, die in den herkömmlichen Urknallmodellen einfach postuliert werden müssen, etwa die Raumgeometrie des uns umgebenden Weltalls. Erste Anzeichen dafür, dass unser Kosmos tatsächlich solch eine Inflationsphase hinter sich hat, haben sich aus Untersuchungen der kosmischen Hintergrundstrahlung ergeben. Diese Strahlung hat eine bestimmte charakteristische Temperatur, die nach all der Zeit, in der sich das Weltall ausgedehnt und abgekühlt hat, sehr niedrig liegt, nur rund 3 Grad über dem absoluten Temperaturnullpunkt. Allerdings gibt es geringe Fluktuationen: Die Temperatur eines Teils der Hintergrundstrahlung liegt einige zehntausendstel Grad über dem Mittelwert, für andere Teile einige zehntausendstel Grad darunter. Das folgende Bild zeigt diese Fluktuationen:
Es bildet die Himmelskugel so ab, wie eine Erdkarte die Kugeloberfläche der Erde; rötere Bereiche entsprechen leicht erhöhter Temperatur, blauere Bereiche einer leichten Erniedrigung. Die Temperaturkarte stammt aus Messungen des Weltraumteleskops Planck, einem Satelliten der ESA, der die Temperaturfluktuationen mit nie erreichter Genauigkeit vermessen hat. Nach diesen Messungen entsprechen die Eigenschaften der Fluktuationen genau der Vorhersage der Inflationsmodelle.
Versucht man, noch weiter in die Vergangenheit des Universums vorzudringen, gerät man in Temperatur-, Dichte- und Energiebereiche, in denen zu erwarten ist, dass die Allgemeine Relativitätstheorie nicht mehr zur Beschreibung ausreicht. Dort sollte ein Anwendungsbereich einer Theorie der Quantengravitation liegen, entsprechend einem Themenkreis, der weiter unten im Kapitel Relativität und Quanten abgehandelt wird.