Warum man Wärme sehen kann

Der Zusammenhang zwischen Temperatur und dem Aussenden elektromagnetischer Strahlung – und die Konsequenzen für Sterne, Materiescheiben um Schwarze Löcher, und für die Kosmologie

Ein Artikel von Markus Pössel

Körper oder physikalische Systeme, die man so miteinander in Verbindung bringt, dass sie Energie austauschen können, gelangen mit der Zeit ins Wärmegleichgewicht und haben dann alle dieselbe Temperatur. Diesen grundlegenden Umstand nutzen wir im Alltag fast andauernd – wenn wir eine Heizung anschalten, verlassen wir uns darauf, dass am Ende nicht nur die Heizung, sondern auch die Zimmerluft warm ist. Und dass wir eine Kochplatte anschalten ist kein Selbstzweck, sondern wir vertrauen darauf, dass die Wärme etwa auf einen darauf stehenden Topf und dessen Inhalt weitergegeben wird.

Selbst im Alltag ist freilich immer noch ein weiteres System anwesend, das wir in der Regel gar nicht als solches wahrnehmen: Die Gesamtheit der elektromagnetischen Felder in der betreffenden Raumregion, von Radiowellen und Infrarotstrahlen über sichtbares Licht bis hin zu UV-Licht und noch energiereicheren Strahlungsvarianten. Auch dieses System ist ständig mit anderen Objekten in Kontakt – und strebt ganz selbstverständlich ebenfalls ein Wärmegleichgewicht an.

Wärmestrahlung

Das hat charakteristische Konsequenzen, die wir ebenfalls aus dem Alltag kennen: Heiße Körper senden deutlich wahrnehmbare Mengen an Wärmestrahlung und Licht aus. Die folgende Abbildung zeigt das Glimmen einer rotglühenden Herdplatte:

Gluehende Herdplatte

Der Hintergrund dieser Erscheinung? Körper übertragen ihre Energie nicht nur auf andere Körper, mit denen sie in thermischem Kontakt sind, sondern eben auch auf das elektromagnetische Feld – mit anderen Worten, sie senden elektromagnetische Strahlung aus. Die Energieübertragung – und damit die Energie der ausgesandten Strahlung – ist umso stärker, je höher die Temperatur des betreffenden Körpers ist.

Die solchermaßen ausgesandte Strahlung hat ein ganz charakteristisches Spektrum – eine charakteristische Systematik, wieviel Energie der Strahlung auf welche Strahlungsfrequenz entfällt, wieviel Energie also beispielsweise in Form von grünem Licht oder Infrarotlicht abgestrahlt wird. Das Spektrum hängt nur von einem einzigen Parameter ab: der Temperatur des strahlenden Körpers. Solche Strahlung wird als Wärmestrahlung oder thermische Strahlung bezeichnet.

Das Spektrum eines Schwarzen Körpers

Der einfachste Fall ist der eines Körpers, der im Prinzip beliebige Arten elektromagnetischer Strahlung absorbieren und wieder aussenden kann, egal welche Frequenz die Strahlung besitzt. Solch ein idealisiertes Objekt heißt unter Physikern Schwarzer Körper. Das Spektrum der Strahlung, die ein solcher Körper aussendet, sieht in groben Zügen immer so aus wie in der folgenden Grafik. Waagerecht ist dabei die Frequenz aufgetragen, senkrecht die Strahlungsleistung bei der entsprechenden Frequenz (sprich: wieviel Energie bei der entsprechenden Frequenz pro Zeiteinheit ausgesandt wird):

Kurve: Planck-Spektrum der Wärmestrahlung

Wie in der Abbildung bereits zu sehen: Bei sehr niedrigen Frequenzen (linker Teil der Kurve) wird vergleichsweise wenig Energie abgestrahlt. Dann folgt ein Maximum bei einer bestimmten Frequenz, und bei den höheren Frequenzen (rechts davon) wird dann wieder deutlich weniger Energie abgestrahlt. Das Maximum liegt bei umso höheren Frequenzen – umso weiter rechts – je höher die Temperatur ist (so genanntes Wiensches Verschiebungsgesetz). Die Gesamtmenge an abgestrahlter Wärmestrahlung steigt sogar mit der vierten Potenz der Temperatur an: Verdoppelt sich die Temperatur eines Objekts, so strahlt es anschließend 16 Mal mehr Energie in Form von Wärmestrahlung ab! (Dieser Umstand heißt unter Physikern Stefan-Boltzmann-Gesetz oder einfach „T-hoch-vier-Gesetz“.)

Der genaue Verlauf der Kurve wurde erstmals im Jahre 1900 von Max Planck ermittelt und heißt daher auch Planck-Spektrum. (Einige ungewöhnliche Annahmen über die Eigenschaften elektromagnetischer Strahlung, die Planck bei dem Versuch der Herleitung seiner Strahlungsformel benötigte, führten übrigens zu einer ganz eigenen physikalischen Revolution – zur Entwicklung der Quantentheorie.)

Viele heiße Objekte im Alltag sind zwar keine perfekten Schwarzen Körper, kommen deren Eigenschaften aber (zumindest in bestimmten Frequenzbereichen) recht nahe. Dementsprechend dürften viele Leser Beispiele sowohl für die Verschiebung des Frequenzmaximums als auch die Erhöhung der Gesamt-Strahlungsleistung kennen. Eine Herdplatte, siehe das obige Foto, glüht zunächst nur ganz schwach und dunkelrot: Sie strahlt vergleichsweise wenig Energie in Form von Wärmestrahlung ab, und das vor allem bei eher niedrigeren Frequenzen (infrarotes und rotes Licht). Mit zunehmender Temperatur geht die Farbe erhitzten Eisens – etwa eines Schürhakens im Kamin – ins rötlich-gelbe über, und es wird immer mehr Energie abgestrahlt. Letzteres wird in elektrischen Glühlampen zur Beleuchtung ausgenutzt – im Inneren einer Glühbirne wird ein Metalldraht mit Hilfe elektrischen Stroms auf sehr hohe Temperaturen aufgeheizt.

Wärmestrahlung und Sternfarben

Aber auch in der Astrophysik sind Wärmestrahlung und mehr oder weniger Schwarze Körper von großer Bedeutung. Farbe und Leuchtkraft der Sterne beispielsweise folgen den Gesetzen für Wärmestrahlung. Wieviel Energie ein Stern pro Zeiteinheit abstrahlt ergibt sich direkt aus der Temperatur der für die Lichtaussendung maßgeblichen Oberflächenschicht des Sterns (dies ist die „Effektivtemperatur“ des Sterns) und aus seiner Größe. Und wie schon gesagt: Die Temperatur bestimmt die Energieverteilung, die Form des Spektrums. Das heißt: Objekten wie Sternen können die Astronomen direkt ansehen, welche Temperatur ihre Oberfläche hat!

Ebenso wie bei der glühenden Herdplatte ergibt sich aus dieser Temperatur auch die Farbe des Sterns. Einige Sternfarben und -temperaturen sind hier näherungsweise wiedergegeben:

Sirius (α CMa), effektive Temperatur 10200 Kelvin
Sonne, effektive Temperatur 5800 Kelvin
Capella (α Aur), effektive Temperatur 5500 Kelvin
Beteigeuze (α Ori), effektive Temperatur 3100 Kelvin

[Das Spektrum der Wärmestrahlung in computertaugliche Farben (RGB) umzurechnen, hat einige Tücken. Nähere Informationen finden sich auf der Webseite  What color are the stars? von Mitchell Charity, aus der ich auch die hier gezeigten Farben entnommen habe.]

Die Temperaturen sind dabei sämtlich in Kelvin angegeben. Die Farben lassen sich in groben Zügen auch am Nachthimmel nachvollziehen: Dort schimmert der „rote Riesenstern“ Beteigeuze (der linke Schulterstern des Orion) tatsächlich deutlich rötlicher als der Hundsstern Sirius.

Schwarze Löcher und Kosmologie

Sterne sind schön und gut, aber nicht zuletzt – das ist die Motivation für dieses Vertiefungsthema – spielt Wärmestrahlung in der relativistischen Astrophysik und in der Kosmologie eine wichtige Rolle.

Wenn Materie auf ein Schwarzes Loch fällt, bildet sich in dessen unmittelbarer Nähe ein extrem heißer Materiestrudel, die Akkretionsscheibe. Mit ihrer extremen Temperatur sendet sie enorme Strahlungsmengen aus; das Abstrahlungsmaximum liegt bei sehr hohen Frequenzen, bei elektromagnetischer Strahlung im Röntgenbereich. (Mehr Informationen dazu bietet das Vertiefungsthema Glühende Scheiben: Wie Schwarze Löcher ihre Nachbarschaft zum Leuchten bringen; was die beobachtenden Astronomen davon sehen, zeigt das Vertiefungsthema Aktive Schwarze Löcher: Ultraheiße Leuchtfeuer im All).

In der Kosmologie ist die kosmische Hintergrundstrahlung eine wichtige Vorhersage der Urknallmodelle, und Beobachtungen daran liefern wichtige Aufschlüsse über das frühe Universum. Auch sie ist eine Wärmestrahlung, entstanden rund 400000 Jahre nach dem Urknall, zu einer Zeit, als das ganze Universum noch mit einem extrem heißen Plasma gefüllt war. Zu dem Zeitpunkt, als sich ihre Entwicklung vom Rest des Kosmos abkoppelte, lag ihre Strahlungstemperatur bei einigen Tausend Grad. Seither ist die Hintergrundstrahlung mit der Expansion des Weltalls zunehmend abgekühlt. Heute liegt ihre Strahlungstemperatur nur noch ganze 2,7 Grad über dem absoluten Nullpunkt. Das Maximum der Strahlungsenergie liegt damit im Bereich der Mikrowellen, und man spricht auch vom kosmischen Mikrowellen-Hintergrund.

Weitere Informationen

Die hier vorgestellten Eigenschaften der Wärmestrahlung sind im Rahmen von Einstein Online vor allem im Zusammenhang mit Schwarzen Löchern und Neutronensternen, zum anderen in der Kosmologie interessant. Eine Einführung in diese Teilgebiete der relativistischen Physik bietet Einstein für Einsteiger, insbesondere im Abschnitt Schwarze Löcher & Co. und im Abschnitt Kosmologie.

Kolophon
Markus Pössel

ist Astrophysiker am Max-Planck-Institut für Astronomie, Leiter des Hauses der Astronomie in Heidelberg und Initiator von Einstein Online.

Zitierung

Zu zitieren als:
Markus Pössel, “Warum man Wärme sehen kann” in: Einstein Online Band 04 (2010), 02-1108