Schwingende Körper

Zum Funktionsprinzip der „Klassiker“ unter den Gravitationswellendetektoren, der Resonanzdetektoren

Ein Artikel von Peter Aufmuth

Eine Gravitationswelle, die durch einen Festkörper läuft, etwa durch einen soliden Metallzylinder, wirkt auf dessen Atome wie eine zeitabhängige, gezeitenartige Kraft. Durch diese Krafteinwirkung wird der Körper jeweils in die eine Richtung gestaucht und senkrecht dazu gedehnt (vergleiche die Verformungen des Mandalas auf der Seite Rhythmische Verzerrungen im Kapitel Gravitationswellen von Einstein für Einsteiger). Auf diese Weise kann ein schwingungsfähiger Körper („Resonator“) in harmonische Schwingungen versetzt werden. Eine Möglichkeit, Gravitationswellen nachzuweisen, besteht daher darin, durch die Gravitationswelle verursachte Änderungen im Schwingungszustand eines solchen Resonators zu messen. Detektoren, die auf diesem Prinzip basieren, heißen Resonanzdetektoren. Eine solche Antenne spricht nur auf die Anteile des Gravitationswellensignals an, die in der Nähe der natürlichen Schwingungsfrequenz des Resonators liegen. Diese natürliche Frequenz hängt im Wesentlichen von seiner Masse ab.

Schwingende Metallzylinder

Der amerikanische Physiker Joseph Weber (1919 – 2000) konstruierte in den 1960er Jahren an der Universität Maryland (USA) nach diesem Prinzip die ersten Gravitationswellendetektoren. Seine Resonanzantennen waren Aluminiumzylinder mit einer Masse von 1,5 Tonnen. Eine passende Gravitationswelle würde die so genannte „longitudinale Grundschwingung“ des Zylinders anregen, deren natürliche Schwingungsfrequenz („Eigenfrequenz“) bei Webers Zylindern bei etwa 1600 Hertz lag. Wie diese Grundschwingung den Zylinder verformt, ist in der folgenden Animation übertrieben deutlich dargestellt:

Nachweisschwingung eines Resonanzdetektors

Im Frequenzbereich um 1000 Hertz erwarten die Astrophysiker nur ganz kurze Gravitationswellenpulse, die entstehen, wenn ein Stern als Supernova explodiert. Solche Pulse stoßen die Zylinderschwingung an wie ein Klöppel die Glocke, und wie eine Glocke schwingt der Zylinder auch nach Durchgang der Gravitationswelle ein wenig weiter; dies ermöglicht erst den Nachweis. Die Verformung des Zylinders sollte in Webers Aufbau durch auf die Zylinderoberfläche geklebte Piezokristalle registriert werden: Piezokristalle erzeugen bei Verformung eine elektrische Spannung, die sich auslesen lässt.

Signal und Rauschen

Webers Zylinderantennen waren allerdings bei weitem nicht empfindlich genug, als dass tatsächlich eine Chance auf den Gravitationswellennachweis bestanden hätte. Bereits durch das ständige, winzige Hin- und Herschwingen der Atome in der Antenne (der Wärmebewegung, anhand derer sich die Temperatur der Antenne definiert) wird die longitudinale Grundschwingung hundertmal stärker angeregt als durch eine etwaige Gravitationswelle. Die Nachfolgemodelle von Webers Zylindern, die modernen Resonanzdetektoren, werden deshalb stark gekühlt und arbeiten bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt. Das nachfolgende Bild zeigt einen Blick in den geöffneten Druckbehälter eines dieser modernen Detektoren, des Experiments NAUTILUS in Frascati (Italien). In der Mitte ist die zylinderförmige Testmasse sichtbar; die Schichten des umliegenden Behälters dienen vor allem der Wärmeisolierung:

 

Blick in den Gravitationswellendetektor Nautilus

© 2002 ROG Nautilus

Ein weiteres Problem liegt im Rauschen der elektrischen Wandler und Verstärker, die das ausgelesene Signal durchläuft. Heute verwendet man wegen der hohen inneren Verluste keine Piezokristalle mehr, sondern benutzt Hohlraumresonatoren oder Spulenanordnungen, deren elektrische Eigenschaften durch die Antennenbewegung verändert werden. Als extrem rauscharme Verstärker haben sich so genannte SQUIDs bewährt, supraleitende Quanteninterferenz-Detektoren, die sich bei der Verstärkung Effekte der Quantenphysik zunutze machen. Weiterhin ist es wichtig, die Antenne als Pendel aufzuhängen, um sie so vor seismischen Erschütterungen zu schützen, und sie auch sonst möglichst gut von allen äußeren Einflüssen zu isolieren. Die heutigen Resonanzantennen erreichen mit all diesen Maßnahmen die für den Nachweis realistischer Gravitationswellen nötige Empfindlichkeit und können tatsächlich Verformungen von 10-19 Metern nachweisen.

Eine kurze Übersicht über die modernen Resonanzdetektoren findet sich am Schluss des Vertiefungsthemas Ohren in aller Welt. Die allermeisten davon verwenden, wie schon Weber, zylindrische Testmassen, jedoch ist kürzlich mit dem niederländischen MiniGRAIL auch eine kugelförmige Resonanzantenne in Betrieb genommen worden. Im Gegensatz zu den Zylindern reagiert sie gleich empfindlich, unabhängig davon, aus welcher Richtung die Gravitationswelle eintrifft. Außerdem kann man an ihr gleich mehrere Schwingungsarten messen, was eine Bestimmung der Position der Gravitationswellenquelle am Himmel erlaubt.

 

Weitere Informationen

Die relativistischen Grundkonzepte, die diesem Vertiefungsthema zugrundeliegen, werden in Einstein für Einsteiger erklärt, insbesondere im Abschnitt Gravitationswellen.

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Kolophon
Zitierung

Zu zitieren als:
Peter Aufmuth, “Schwingende Körper” in: Einstein Online Band 04 (2010), 01-1119