Relativität und Satellitennavigation

Wie man mit Hilfe von Funksignalen und Satelliten seine Position bestimmen kann – und was die Relativitätstheorien damit zu tun haben

Ein Artikel von Markus Pössel

Auf See oder in der Wildnis kann genaue Positionsbestimmung lebenswichtig sein. Aber auch im Alltag ist nicht immer ein Orts- oder Straßenschild in der Nähe, wenn die Frage heißt: Wo sind wir jetzt eigentlich? Wo es darauf ankommt, ist die Antwort dieser Tage schnell zu haben. Ein kleines Gerät, nicht viel größer als ein Mobiltelefon, genügt, um den Standort binnen weniger Minuten zu bestimmen – überall auf der Welt, mit einer Genauigkeit von einigen bis einigen Dutzend Metern:

 

GPS-Empfangsgeraet

Das Zauberwort heißt Satellitennavigation. Am bekanntesten dürfte das US-amerikanische „Global Positioning System“ sein, das „Globale Positionierungssystem“, abgekürzt zu GPS. GLONASS, das Globale Navigations-Satelliten-System, wurde als sowjetisches Gegenstück zu GPS aufgebaut und wird heute von der russischen Föderation betrieben. Mit Galileo steht inzwischen auch ein europäisches Satelliten-Navigationssystem zur Verfügung. Die Funktionsweise dieser Systeme hängt direkt mit Einsteins Relativitätstheorien zusammen.

Der Kreis der möglichen Orte

Aber eines nach dem anderen. Der erste Schritt zur Satellitennavigation ist die Erkenntnis: Wer seine Abstände zu einer genügend großen Anzahl von bekannten Orten kennt, der kennt auch seinen eigenen Ort. Am einfachsten ist das für den Fall einer zweidimensionalen Ebene einzusehen, wie wir sie von Landkarten gewohnt sind. Wenn ich beispielsweise weiß, dass ich mich 5,95 Kilometer entfernt von Einsteins Sommerhaus in Caputh befinde, dann kann ich auf die Landkarte einen Kreis mit entsprechendem Radius zeichnen, dessen Mittelpunkt Caputh ist (in der Abbildung unten der rote Kreis). Auf diesem Kreis befinden sich alle Orte, die 5,95 Kilometer von Caputh entfernt sind, also auch mein Standort. Wenn ich zusätzlich weiß, dass ich 3,04 Kilometer vom Ortszentrum von Werder entfernt bin, dann kann ich auf der Landkarte einen weiteren Kreis mit Radius 3,04 Kilometer einzeichnen, dessen Mittelpunkt Werder ist – den Kreis aller Orte, die 3,04 Kilometer von Werder entfernt sind, also auch meines eigenen Standorts (in der Abbildung unten der blaue Kreis). Mein eigener Standort liegt auf beiden eingezeichneten Kreisen, also auf einem der beiden Schnittpunkte. Wenn ich zumindest eine grobe Idee habe, wo ich mich befinde – etwa, dass ich mich östlich von Werder befinde – und so einen der beiden Punkte ausschließen kann, dann habe ich meinen Standort damit eindeutig bestimmt. Wenn nicht, schafft eine dritte Entfernungsangabe Klarheit: Aus ihr ergibt sich ein dritter Kreis, etwa der Kreis aller Orte, die 4,96 Kilometer vom Stadtzentrum von Potsdam entfernt sind (in der Abbildung der grüne Kreis). Falls nicht gerade der Spezialfall vorliegt, dass die drei Kreismittelpunkte alle auf einer Linie liegen, bestimmt der Schnittpunkt der drei Kreise eindeutig meinen Standort – in diesem Beispiel übrigens das Albert-Einstein-Institut (AEI) in Golm, einem Ortsteil von Potsdam:

Positionsbestimmung aus Entfernungen

Wenn wir es nicht mit einer zweidimensionalen Ebene zu tun haben, sondern eine Position im dreidimensionalen Raum bestimmen wollen, ist noch eine Entfernungsangabe mehr vonnöten. Der Entfernung von einem einzigen bekannten Ort A entspricht die Kugelfläche aller Punkte im Raum, die von A die betreffende Entfernung haben. Der Entfernungsangabe für einen zweiten Ort entspricht eine zweite Kugelfläche, so dass unser Aufenthaltsort auf dem Schnittkreis der beiden Kugelflächen liegen muss. Die Kugelfläche, die sich aus der Entfernungsangabe für einen dritten Ort ergibt, schneidet diesen Schnittkreis ihrerseits im allgemeinen in zwei Punkten; wenn nötig zeigt der Schnittpunkt mit einer vierten Kugelfläche – einer vierten Entfernungsangabe zu einem bekannten Ort – welcher der zwei Punkte der eigene Standort ist.

Von der Zeit zur Entfernung

Soweit, so gut: Wer seine Entfernungen zu genügend vielen bekannten Orten kennt, der kann auch seinen eigenen Standort ermitteln. Aber wie bestimmt man diese Entfernungen? Wenn wir annehmen, in unserem Universum gälten die Regeln von Einsteins Spezieller Relativitätstheorie, gibt es eine einfache Lösung: Laut dieser Theorie hat die Lichtgeschwindigkeit für jeden Beobachter (genauer: für jeden Inertialbeobachter) denselben konstanten Wert von 299.792.458 Metern pro Sekunde. Nun stellen wir an jedem der Referenzorte eine Uhr und einen Radiosender auf. Wir selbst tragen ebenfalls eine Uhr bei uns, außerdem einen Radioempfänger, und wir haben sichergestellt, dass alle erwähnten Uhren synchron laufen. Jeder der Radiosender sendet kontinuierlich in alle Richtungen ein Radiosignal aus, das sich wie alle elektromagnetische Strahlung mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet. Das Radiosignal ist zum einen ein Zeittaktsignal, gesteuert von der Uhr am Sendeort. Beispielsweise könnten die Radiostationen jede Milliardstel Sekunde einen Zeitsignal-Puls aussenden. Zum anderen enthält das Radiosignal Informationen, etwa indem besonders starke und etwas schwächere Pulse wie die Punkte und Striche einer Morsecode-Nachricht aufeinander folgen. In diesen Punkten und Strichen ist codiert, von welchem Referenzort aus und zu welcher Uhrzeit ein bestimmter Puls ausgesendet wurde. Das Ergebnis: Wann immer unser Empfänger einen Zeitsignalpuls erhält, lässt sich ablesen, von welchem Ort und um welche Uhrzeit dieser Puls abgesendet wurde. Die Uhr in unserem eigenen Empfänger sagt uns andererseits, wann der Puls bei uns ankam, und schon, der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit sei Dank, kennen wir die Entfernung zum Referenzort. Denn wenn wir Sende- und Empfangszeitpunkt kennen, dann wissen wir auch, wie lange der Puls zu uns unterwegs war. Reisezeit mal Lichtgeschwindigkeit ergibt den Abstand zum Referenzort.

Mit diesem Wissen können wir bereits eine vereinfachte Version eines Satellitennavigationssystems konstruieren. Unsere Referenzorte sind Satelliten, die um die Erde kreisen. Die folgende Abbildung zeigt sechs Umlaufbahnen für 24 Satelliten, genauer: Die Basiskonfiguration des Global Positioning System (GPS), die sicherstellt, dass von jedem Ort der Erdoberfläche aus gesehen jederzeit genügend viele Satelliten am Himmel stehen. Die Umlaufbahnen sind dabei relativ zur Erde maßstabsgerecht eingezeichnet, die Satelliten selbst allerdings stark vergrößert.

Orbits der GPS-Satelliten

Rund 20.200 Kilometer über der Erde ziehen die Satelliten mit einer Bahngeschwindigkeit von etwa 14.000 Kilometern pro Stunde entlang ihrer fast kreisförmigen Umlaufbahnen. Jeder der Satelliten sendet ein Zeitsignal aus, in dem eine Reihe zusätzlicher Informationen kodiert sind. Zum einen der Zeitpunkt der Aussendung des Signals, bestimmt mit einer an Bord des Satelliten befindlichen Atomuhr, deren Gang zudem mit Hilfe von Bodenstationen ständig überwacht wird. Zum zweiten die Bahndaten für den betreffenden Satelliten, auch sie per Überwachung durch Bodenstationen ständig auf dem neuesten Stand.

Ein Empfangsgerät am Boden kann diese Signale nachweisen und die darin enthaltenen Informationen auswerten. Wäre in das Empfangsgerät ebenfalls eine Atomuhr eingebaut, perfekt mit den Satellitenuhren synchronisiert, würde die Positionsbestimmung tatsächlich so ablaufen, wie oben bereits Schritt für Schritt erklärt: Die Differenz von Sende- und Empfangszeitpunkt, malgenommen mit der Lichtgeschwindigkeit, ergibt die Entfernung zu den verschiedenen Satelliten. Die Orte der Satelliten zum Aussendungszeitpunkt sind bekannt: Sie lassen sich aus den im Signal mitgelieferten Bahndaten direkt berechnen. Entfernungsmessungen zu drei Satelliten schränken den möglichen Ort des Empfängers bereits auf zwei Raumpunkte ein. Dank der zusätzlichen Information, dass der gesuchte Ort nicht irgendwo draußen im All, sondern nahe der Erdoberfläche liegt, lässt sich entscheiden, welche der beiden Möglichkeiten die richtige ist.

Miniaturisierte und für weite Teile der Bevölkerung erschwingliche Atomuhren sind allerdings bislang noch Zukunftsmusik. Ungenaue Zeitangaben sind aber ein beträchtliches Problem. Selbst eine Uhr, die nur um eine Millionstel Sekunde falsch ginge, führte zu einem Fehler von einigen hundert Metern bei der Bestimmung der Satellitenentfernungen, mit entsprechenden Folgen für die Standortbestimmung. Günstigerweise gibt es jedoch ein Verfahren, mit Hilfe der Satellitensignale nicht nur den Ort, sondern gleich auch die Zeit zu ermitteln. Dazu wird ein Satellit mehr benötigt als für die reine Positionsbestimmung. Eine nähere Erklärung liefert das Vertiefungsthema Zeitbestimmung mit Radiosignalen – von der Funkuhr zur Satellitennavigation; verkürzt gesagt erlaubt die zusätzliche Bedingung, dass sich die Entfernungskugel um den vierten Satelliten herum ebenfalls mit dem Schnittpunkt der drei anderen Entfernungskugeln schneiden möge, die Bestimmung des einen fehlenden Parameters, nämlich der Zeit am Empfangsort.

Bezugssysteme

Allerdings: Auch mit diesem zusätzlichen Schritt sind wir noch nicht fertig – selbst wenn man praktische Störfaktoren wie etwa den Einfluss der Erdatmosphäre auf die Satellitensignale, mit denen sich die Betreiber von Navigationssystemen auseinandersetzen müssen, der Einfachheit halber beiseite lässt. Denn bislang hat unsere Argumentation vorausgesetzt, dass die Gesetze der Speziellen Relativitätstheorie gelten, insbesondere das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Nur so ließ sich die Entfernung zum Satelliten ganz einfach durch das Malnehmen von Lichtgeschwindigkeit und Zeitdifferenz bestimmen. In Wirklichkeit ist die Situation komplizierter: Da ist zum einen die Erde und ihr Gravitationseinfluss auf Uhrenlauf und Radiosignalausbreitung, außerdem die Sonne und die weiteren Planeten, und die Satelliten fliegen nicht kräftefrei durch das All, sondern werden durch die Erdanziehung auf eine Kreisbahn gezwungen. Günstigerweise fallen die meisten der Effekte, die für Abweichungen von der Speziellen Relativitätstheorie sorgen, bei der jetzigen Genauigkeit der Satellitennavigation nicht ins Gewicht  (nähere Informationen bietet diese Fußnote). Bei genauerer Betrachtung ergibt sich stattdessen: Es ist möglich, ein fiktives Bezugssystem einzuführen, dessen Raum-Nullpunkt im Erdmittelpunkt liegt, dessen Raumabstände in guter Näherung dieselben sind wie in der wirklichen Erdumgebung und in dem das Licht tatsächlich die übliche konstante Geschwindigkeit hat. Dieses fiktive System, in dem wir Entfernungen ebenso direkt aus Zeitdifferenzen von Licht- oder Radiosignalen berechnen können wie wir in der obigen Erklärung angenommen haben, heißt auch erdzentriertes Inertialsystem. Im Rahmen der für Satellitennavigation nötigen Messgenauigkeit bewegen sich die Lichtsignale bezogen auf dieses System tatsächlich mit konstanter Geschwindigkeit durch den Raum, und die Navigationssatelliten bewegen sich auf den aus der Himmelsmechanik wohlbekannten elliptischen Umlaufbahnen.

Zeitdilatation

Diese Vorbereitung bringt uns zu den relativistischen Effekten, die bei der Satellitennavigation tatsächlich eine Rolle spielen. Sie ergeben sich daraus, dass es in den Relativitätstheorien nicht mehr die Zeit im Singular gibt. Wie schnell oder langsam Zeit vergeht, und insbesondere wie schnell oder langsam Uhren gehen, hängt zum einen davon ab, wie sie sich bewegen. Beispielsweise gilt in Bezug auf unser erdzentriertes Inertialsystem die Zeitdilatation der Speziellen Relativitätstheorie: Relativ zu diesem System bewegte Uhren gehen verglichen mit darin ruhenden Uhren langsamer. Zum anderen, das zeigt beispielsweise ein Vergleich mit Hilfe von Lichtsignalen, gehen Uhren in der Umgebung eines massiven Körpers wie der Erde umso langsamer, je näher sie dem Körper sind (gravitative Zeitdehnung).

Bei der Satellitennavigation sind verschiedene Klassen von Uhren wichtig. Da sind einmal die Atomuhren auf der Erde. Mit ihrer Hilfe bestimmen Physiker die Zeiteinheit in unserem erdzentrierten Inertialsystem – gemäß der Definition des internationalen Einheitensystems SI: Eine Sekunde in unserem Bezugssystem ist über die Frequenz eines bestimmten atomaren Übergangs von Cäsium-133 definiert und zwar unter den Bedingungen, unter denen solch ein Übergang in einer Atomuhr hier auf der Erdoberfläche stattfindet. Über den Standardwert der Lichtgeschwindigkeit (299.792.458 Meter pro Sekunde) lässt sich dann auch die Längeneinheit Meter unseres Bezugssystems bestimmen. In diesen Einheiten, in diesem Bezugssystem werden dann auch die astronomischen Berechnungen der Satellitenbahnen vorgenommen.

Zum zweiten gibt es die Atomuhren in den Satelliten. Mit ihnen werden die Zeitmessungen durchgeführt, die zur Positionsbestimmung führen.

Allerdings: Wer als Satellitenuhren ganz einfach dieselben Atomuhren verwendet wie auf der Erde, ohne sich um relativistische Effekte zu scheren, macht einen Fehler. Unter den Bedingungen auf der Erde mögen die betreffenden Atomuhren gerade die von uns gewählte Zeiteinheit unseres erdzentrierten Inertialsystems anzeigen. Doch wenn wir sie nach oben in die Umlaufbahn der Navigationssatelliten schießen, dann laufen sie ein klein wenig schneller als auf der Erde. Das ergibt sich aus zwei gegenläufigen Effekten: Zum einen haben die fliegenden Uhren im Vergleich mit Uhren auf der Erdoberfläche eine deutlich höhere Umlaufgeschwindigkeit, sind also aufgrund der bereits in der Speziellen Relativitätstheorie beschreibbaren Zeitdilatation etwas verlangsamt. Zum anderen sind die Uhren merklich weiter von der Erde entfernt – aufgrund der weniger starken gravitativen Zeitdehnung gehen sie also etwas schneller als baugleiche Uhren auf der Erde. Der zweite Effekt überwiegt, und insgesamt geht eine Uhr auf einem der Navigationssatelliten schneller als eine baugleiche Uhr auf der Erde.

Von der Zeitkoordinate in unserem erdzentrierten Inertialsystem, die ja über die irdischen Uhren definiert war, weicht die Anzeige der Satellitenuhren daher nach und nach immer weiter ab. Wer diese falsche Zeit in die Formeln für die Satellitenbahnen einsetzt, um deren Position zu ermittelt, bekommt ein umso weiter verfälschtes Ergebnis, je länger das Navigationssystem bereits in Betrieb ist – die Satelliten sind in Wirklichkeit an einem etwas anderen Bahnpunkt als mit dieser falschen Zeit vorhergesagt. Auch die Abstandsmessungen (und die Definition des Meters) sind direkt mit der Zeiteinheit verknüpft – wer die falschen Atomuhr-Sekunden mit der Lichtgeschwindigkeit multipliziert, um den Abstand der Satelliten zu bestimmen, bekommt einen etwas anderen Wert als in dem von uns gewählten erdzentrierten Bezugssystem.

Die Betreiber des Navigationssystems GPS haben das Problem auf eine technisch recht einfache Weise gelöst: Die Taktfrequenz der Atomuhren wird so eingestellt, dass sie auf der Erde etwas langsamer laufen würden als die Referenzuhren, anhand derer die Sekunde definiert ist. Wenn die solchermaßen justierte Atomuhr an Bord eines der GPS-Satelliten durch das All fliegt, gleicht die Taktfrequenzänderung die relativistische Gangbeschleunigung gerade aus. Mit dieser korrigierten Laufgeschwindigkeit zeigt die Atomuhr zuverlässig die Zeit unseres erdzentrierten Inertialsystems an. Das Ergebnis: Zuverlässige Positionsbestimmung, bis auf einige Meter genau, die aber nicht funktionieren würde, ließe man die Effekte der Einsteinschen Relativitätstheorien außer acht.

 

Weitere Informationen

Die relativistischen Grundkonzepte, die diesem Vertiefungsthema zugrundeliegen, werden in Einstein für Einsteiger erklärt, insbesondere in den Abschnitten Spezielle Relativitätstheorie und Allgemeine Relativitätstheorie.

Ebenfalls mit der Satellitennavigation beschäftigt sich das schon im Text erwähnte Vertiefungsthema Zeitbestimmung mit Radiosignalen – von der Funkuhr zur Satellitennavigation. Verwandte Vertiefungsthemen auf Einstein-Online finden sich in der Kategorie Allgemeine Relativitätstheorie.

Fußnote: Relativistische Effekte, die bei GPS (noch) keine Rolle spielen

Die Erde, ihr Gravitationseinfluss auf Uhrenlauf und Radiosignalausbreitung, außerdem die Sonne und die weiteren Planeten – das klingt zunächst nach einer sehr komplizierten Situation. Eine erste Vereinfachung liefert die Anwendung des Äquivalenzprinzips , eines der Grundprinzipien der Allgemeinen Relativitätstheorie. Es besagt, dass in einem frei fallenden Bezugssystem die Gesetze der Speziellen Relativitätstheorie gelten – zumindest näherungsweise, wobei die Abweichung umso kleiner ist, je kleiner der Raumbereich und je kürzer der Zeitraum, den man betrachtet. Wenn wir einmal von der Gravitation der Erde absehen, spielt sich die Satellitennavigation in einem Raumbereich ab, der etwa so ausgedehnt ist wie die Umlaufbahnen der GPS-Satelliten. Dieser Raumbereich ist genau wie die Erde in freiem Fall um die Sonne begriffen, und darin wird die Bewegung von Lichtsignalen betrachtet, deren Reisezeit jeweils weniger als eine Zehntelsekunde beträgt. Die Abweichungen von den Gesetzen der Speziellen Relativitätstheorie, die aufgrund des Gravitationseinflusses der Sonne und der anderen Planeten zustandekommen, sind in solch einer Situation so gering, dass sie bei der Genauigkeit der heutigen Satellitennavigationssysteme nicht ins Gewicht fallen. Wenn es bei zukünftigen Systemen darum gehen soll, Positionen bis auf Zentimeter oder gar Millimeter genau zu bestimmen – aufgrund anderer als relativistischer Probleme ein hochgestecktes Ziel – müsste man diese Effekte allerdings berücksichtigen. Beim heutigen Stand der Technik können wir Sonne und Planeten dagegen ruhig beiseite lassen.

Damit bliebe noch der Einfluss der Erde übrig. Auch die Umgebung der Erde ist kein Inertialsystem, kein Bezugssystem, in dem die Spezielle Relativitätstheorie gilt. Eine Konsequenz daraus sind die Uhreneffekte, die im Haupttext erwähnt werden. Genau genommen gibt es noch weitere Effekte: Zum einen entspricht die Raumgeometrie in der Erdumgebung nicht ganz der gewohnten und auch in der Speziellen Relativitätstheorie gültigen Euklidischen Geometrie – die Gravitationswirkung der Erde krümmt den Raum ein wenig. Zum anderen gibt es einen Lichtlaufzeitverzögerungseffekt, aufgrund dessen die Strecke, die Licht zurücklegt, nicht einfach nur als konstante Lichtgeschwindigkeit mal Zeitdifferenz berechnet werden kann, sondern kleine Korrekturen nötig sind. Allerdings gilt auch für diese beiden Effekte: Erst, wenn Satellitennavigation die Genauigkeit von einigen Zenti- oder gar Millimetern erreicht, müsste man beginnen, sie in Betracht zu ziehen.

Kolophon
Markus Pössel

ist Astrophysiker am Max-Planck-Institut für Astronomie, Leiter des Hauses der Astronomie in Heidelberg und Initiator von Einstein Online.

Zitierung

Zu zitieren als:
Markus Pössel, “Relativität und Satellitennavigation” in: Einstein Online Band 01 (2005), 01-1109