Mit LISA Gravitationswellen im Weltall beobachten

Im Jahr 2035 soll die Laser Interferometer Space Antenna (LISA) als Mission der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) ins All starten und dort bislang unzugängliche Gravitationswellen von vielen neuen Quellen beobachten.

Ein Artikel von Benjamin Knispel

Irdische Instrumente haben bereits viele Dutzend Gravitationswellen-Signale von verschmelzenden kompakten Objekten wie Doppelsystemen aus Schwarzen Löchern und Neutronensternen  beobachtet. Sie werden in ihren künftigen Ausbaustufen und als Nachfolge-Instrumente der dritten Generation noch viele Tausend solcher Signale aus nahezu dem gesamten Universum entdecken und intensiv nach denen von anderen Quellen (wie beispielsweise einzelne schnell rotierende Neutronensterne) suchen.

Drei Satelliten in Dreiecksformation vor einer Gravitationswellen emittierenden Galaxie.
LISA im Sonnensystem vor Gravitationswellen emittierender Galaxie. © University of Florida / Simon Barke (CC-BY 4.0)

Warum im Weltraum?

Für die Beobachtung von Gravitationswellen bei niedrigen Frequenzen setzt die Erde allerdings fundamentale Grenzen. Zum einen sind Detektoren erforderlich, die deutlich größer als unser Heimatplanet sind. Zum anderen stört die irdische Seismik – ständig vorhandene natürliche Erschütterungen – jegliche Messung. Bei hohen Frequenzen lässt sie sich technisch so unterdrücken, dass sie die Beobachtungen nicht stört. Bei niedrigen Frequenzen von unter einem Hertz (weniger als einer Schwingung pro Sekunde) ist dies jedoch nicht möglich. Gravitationswellen bei niedrigeren Frequenzen zu beobachten ist deshalb auf der Erde unmöglich.

Ein Gravitationswellen-Detektor im All hat diese Schwierigkeiten nicht: Im All gibt es zum einen keine Seismik. Zum anderen steht ausreichend Platz für sehr große Detektoren zur Beobachtung von niederfrequenten Gravitationswellen zur Verfügung. Die „Laser Interferometer Space Antenna“ (LISA), eine Mission der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), wird ein solcher Detektor im All sein und aus drei Satelliten bestehen. Die Satelliten werden derzeit konstruiert und auf den Start im Jahr 2035 vorbereitet.

Laser-Dreieck im All

LISA wird das größte jemals gebaute astronomische Observatorium sein. Ihre Satelliten werden in einer Dreiecksformation mit drei jeweils 2,5 Millionen Kilometer langen Seiten fliegen. Das ist mehr als die sechsfache Entfernung zwischen Erde und Mond. Dabei folgen die Satelliten der Erde in einem Abstand von rund 50 Millionen Kilometern auf ihrer Umlaufbahn um die Sonne. Das Satelliten-Dreieck ist um 60° gegen die Erdumlaufbahn geneigt.

In der Mitte befindet sich die Sonne, um sie herum ist die Erdumlaufbahn und die Position der Satellitenformation LISA eingezeichnet.
LISA befindet sich in einem Orbit um die Sonne, um 20° versetzt zur Erde.
Bild: CC-BY 4.0 Branchesi, M., Falanga, M., Harms, J. et al. Lunar Gravitational-Wave Detection. Space Sci Rev 219, 67 (2023).

An Bord jedes einzelnen Satelliten befinden sich frei fallende Testmassen, die sich nur unter dem Einfluss der Schwerkraft – auf einer geodätischen Linie – durchs All bewegen. Die Testmassen sind Würfel mit einer Kantenlänge von 4,6 Zentimetern aus einer Gold-Platin-Legierung, die kaum von Magnetfeldern beeinflusst wird. Die Satelliten folgen diesen Testmassen, indem sie deren Position innerhalb des Raumfahrzeugs mithilfe von elektrischen Feldern und Laser-Interferometern präzise überwachen. Die Satelliten korrigieren ihre Position und Geschwindigkeit relativ zu den Testmassen durch feinfühlige Schubstöße spezieller Steuerdüsen.

Die Satelliten schirmen externe Kräfte auf die Testmassen (mit Ausnahme der nicht-abschirmbaren Schwerkraft- und Gravitationswellenwirkung) ab. Drücken beispielsweise der Sonnenwind oder der Strahlungsdruck des Sonnenlichts auf die Satelliten, so registrieren diese das als Abstandsänderung zu ihren Testmassen. Die Satelliten gleichen dies durch Betätigung ihrer Steuerdüsen aus, die eine Gegenkraft zur externen Störung erzeugen. Das Ergebnis: Die Testmasse im Inneren des Satelliten folgt weiterhin ungestört ihrer Geodäte.

Winzige Längenänderungen beobachten

Gravitationswellen verändern den Abstand der Testmassen in den drei Satelliten zueinander. Typische Gravitationswellen im von LISA beobachteten Frequenzband machen sich als Verschiebungen der Testmassen um einige zehn bis einige Hundert Billionstel Meter (Pikometer) bemerkbar.

Um Gravitationswellen zu beobachten, wird LISA daher als riesiges Interferometer den Abstand der Testmassen zueinander auf Pikometer genau vermessen. Dazu kommt wie bei den irdischen Detektoren, die auf dem Prinzip eines Michelson-Interferometers basieren, nahinfrarotes Laserlicht zum Einsatz.

Die um etwa eine Million Mal größere Armlänge der LISA-Konstellation im Vergleich zu den irdischen Detektoren verändert das interferometrische Messprinzip. Denn auch ein anfänglich gebündelter Laserstrahl weitet sich über die 2,5 Millionen Kilometer lange Strecke zum nächsten Satelliten auf einen Durchmesser von mehreren Kilometern auf! Dort wird er mit einer Teleskop-Öffnung von 30 Zentimetern aufgefangen, so dass nur ein winziger Bruchteil (einige hundert Pikowatt) der ausgesandten zwei Watt Laserlichtleistung empfangen wird. Die direkte Überlagerung von Laserstrahlen, die die Messstrecken durchlaufen haben, wie sie bei den irdischen Detektoren ausgenutzt wird, ist bei LISA nicht möglich.

Video: Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik/Milde Marketing Science Communication

Interferometrie mit Kunstgriff

Um die durch Gravitationswellen verursachten Längenänderungen der Strecken zwischen den freifallenden Testmassen mithilfe von Laserlicht nachzuweisen, setzt LISA stattdessen auf ein Transponder-Prinzip: Dabei misst LISA in jedem Satelliten mit einem Interferometer kontinuierlich den Phasenunterschied zwischen dem schwachen, von einem fernen Satelliten empfangenen Laserstrahl und dem vom lokalen Satelliten abgestrahlten starken Laserstrahl. Diese Messdaten werden zur Erde übertragen und enthalten neben den gesuchten Gravitationswellen-Signalen zusätzliche Störungen: 1) ein deutlich stärkeres instrumentelles Rauschen und 2) eine zusätzliche Phasenverschiebung, die aus der relativen Bahnbewegung der Satelliten zueinander resultiert (denn das Satelliten-Dreieck kann nicht dauerhaft perfekt gleichseitig bleiben). Erst in der Datenverarbeitung auf der Erde werden in diese Störsignale herausgerechnet, um die deutlich schwächeren Gravitationswellen-Signale zu identifizieren.

LISA ist ein flexibles Messinstrument: Durch clevere Kombinationen der einzelnen Messungen über verschiedene Laufstrecken zwischen je zwei Satelliten lassen sich verschiedene „virtuelle“ Interferometer-Konfigurationen errechnen, um so die Empfindlichkeit für Gravitationswellen zu optimieren. Es lassen sich zudem Kombinationen wählen, die keine Empfindlichkeit für Gravitationswellen aufweisen. Diese können helfen, das Instrument zu charakterisieren.

Das Gravitationswellen-Spektrum erweitern

LISA wird deutlich langsamere Schwingungen der Raumzeit untersuchen als die irdischen Detektoren, die Gravitationswellen im Bereich von einigen Hertz bis einigen Tausend Hertz empfangen. So wie Radioteleskope, Gammastrahlen-Observatorien, optische Teleskope und Röntgensatelliten einander ergänzen, wird LISA mit der Beobachtung von Gravitationswellen mit Frequenzen zwischen 0,1 Millihertz und 0,1 Hertz einen den irdischen Instrumenten bislang unzugänglichen Teil des Gravitationswellenspektrums erschließen. Der von LISA beobachtete Frequenzbereich liegt außerdem bei deutlich höheren Frequenzen als die Gravitationswellen im Nanohertzbereich, nach denen Pulsar Timing Arrays suchen.

Diese Beobachtung mehrerer Frequenzbänder bietet Vorteile: Kosmische Quellen, die Gravitationswellen in einem sehr weiten Frequenzbereich abgeben, lassen sich so umfassender und mit voneinander unabhängigen Observatorien beobachten. Andere Quellen, die nur im Millihertz-Bereich Gravitationswellen abstrahlen, kann LISA nun erstmals aufspüren. Hier ist das Universum reich an vielen Quellen starker Gravitationswellen: Doppelsysteme extrem massereicher Schwarzer Löcher, kleine Schwarze Löcher, die massereichere Schwarze Löcher umrunden und in diese hineinfallen, und enge Doppelsterne in unserer Milchstraße. Doppelsysteme Schwarzer Löcher mit Sternmassen wird LISA bereits einige Jahrhunderte vor deren Verschmelzung beobachten können. Ein Gravitationswellen-Hintergrund und möglicherweise ganz neue und unerwartete Quellen stehen ebenfalls auf der Liste potenzieller zukünftiger Entdeckungen.

LISA als Vorwarnsystem für irdische Observatorien

Zusätzlich ergeben sich mit der Beobachtung niederfrequenter Gravitationswellen aus dem Weltraum neue Möglichkeiten für die Multimessenger-Astronomie, also die gemeinsame Beobachtung astronomischer Objekte mit Gravitationswellen, elektromagnetischen Wellen und kosmischen Teilchen. Denn LISA kann die Doppelsysteme Schwarzer Löcher, deren Verschmelzungssignale irdische Gravitationswellen-Detektoren messen, bis zu einige Jahrhunderte früher beobachten und so in einigen Fällen die irdischen Observatorien vorwarnen. Außerdem liefert Beobachtung so lange vor der Verschmelzung auch neue Erkenntnisse über die Entstehung der Doppelsysteme: Während irdische Observatorien nur den Zeitraum kurz vor der Verschmelzung „sehen“, wird LISA bereits beobachten, wie sich die Schwarzen Löcher einander nähern. Dabei sind diese noch vergleichsweise weit voneinander entfernt und ihre Bahnen weisen deutliche Spuren ihres Entstehungsprozesses und ihrer Umgebung auf. Mit LISA lassen sich die Exzentrizität der Umlaufbahnen sowie die Einflüsse von dichten Gasscheiben oder eines nahegelegenen massereichen Schwarzen Lochs genauer bestimmen, als dies mit irdischen Detektoren möglich ist. Diese Beobachtungen sollten Rückschlüsse auf die Entstehungsmechanismen dieser Schwarzen Löcher erlauben.

In einigen Fällen dürfte es sogar möglich sein, die Annäherung der Schwarzen Löcher mit LISA und nachfolgend ihre Verschmelzung mit den zukünftigen irdischen Detektoren zu beobachten. Das erste von LIGO beobachtete Signal (GW150914) wäre mit LISA bereits mehr als 5 Jahre vor der Verschmelzung entdeckt worden! Diese Vorwarnzeit kann die nachfolgende gezielte Beobachtung mit irdischen Detektoren der dritten Generation ermöglichen. Zusätzlich erlaubt die präzise Bestimmung des zu erwartenden Verschmelzungszeitpunkts und der Himmelsposition aus LISA-Daten weitere Beobachtungen mit anderen astronomischen Observatorien.

Zwei Schwarze Löcher in der Bildmitte kurz vor der Verschmelzung.
Künstlerische Darstellung der Verschmelzung zweier supermassereicher Schwarzer Löcher bei einer Galaxienkollision.
Bild: ESA

Doppelte Schwerkraftgiganten

Neben den Paaren Schwarzer Löcher mit Sternmassen, deren Verschmelzungen irdische Detektoren beobachten, gibt es wahre Schwerkraftgiganten: extrem massereiche Schwarze Löcher mit millionenfach größeren Massen. LISA wird die Gravitationswellen von Verschmelzungen solcher Paare Schwarzer Löcher aus einem Großteil des beobachtbaren Universums empfangen. Paare mit Gesamtmassen von 10.000 bis 10 Millionen Mal der unserer Sonne kann LISA weit in die kosmische Vergangenheit zurück bis zum Anfang der Galaxienentstehung beobachten.

Je nach Gesamtmasse des Paars beobachtet LISA das Annähern und nachfolgende Verschmelzen über einige Stunden bis hin zu einigen Wochen. In dieser Zeit lässt sich aus den Beobachtungen ermitteln, welche Massen die beteiligten Schwarzen Löcher haben und in welcher Richtung am Himmel und in welcher Entfernung zur Erde sich das Paar befindet. Zudem erhalten die Wissenschaftler:innen Informationen über den Drehimpuls der Schwarzen Löcher.

Die Beobachtung der Gravitationswellen von Paaren massereiche Schwarzer Löcher ermöglicht es, Entstehung, Wachstum und Evolution von Galaxien zu untersuchen. Denn diese Doppelsysteme entstehen bei der Verschmelzung von Galaxien, in deren Zentralbereichen sie existieren. LISA wird untersuchen, wann, wie und aus welchen Objekten die massereichen Schwarzen Löcher entstanden, wie sie wuchsen, welche Rolle die Galaxien spielen, die sie beherbergen, und ob es eine Verbindung zu den leichteren Schwarzen Löchern gibt, die irdische Gravitationswellen-Detektoren bereits beobachten. Damit bringt die Mission Licht in bislang kaum erforschte Bereiche des Universums und wird eine erste Bestandsaufnahme dieser bislang kaum untersuchten Population machen.

Ungleiche kosmische Paare

Häufig haben die verschmelzenden Schwarzen Löcher ähnliche Massen. Es gibt aber auch Paare, bei denen dies nicht so ist. Ist das schwerere der miteinander verschmelzenden Objekte um mindestens einen Faktor 1000 (und bis zu einem Faktor 1.000.000) massereicher als das leichtere, so wird es kompliziert: Das kleinere Objekt – das ein leichteres Schwarzes Loch, ein Neutronenstern, ein Brauner Zwerg oder ein normaler Stern sein kann – umrundet das schwerere Schwarze Loch über lange Zeit auf einer komplexen, elliptischen Bahn mit sich ändernder Neigung. Der Bahnverlauf wird von vielen Effekten der Allgemeinen Relativitätstheorie bestimmt.

Bei diesen Objekten kann LISA einzigartige Beobachtungen machen. Aufgrund der Vielzahl von beobachteten Umläufen lassen sich die Eigenschaften des ungleichen Paars sehr präzise bestimmen: Welche Massen haben beide Objekte? Wie schnell dreht sich das schwere Schwarze Loch um die eigene Achse? Welche Neigung und Exzentrizität hat die Bahn – wie stark elliptisch ist sie also? Wie weit ist das System von der Erde entfernt? Anhand dieser Daten können Forschende untersuchen, wie viele solcher Objekte es im Universum gibt, wie sie entstanden sind und wie sie sich entwickelten.

Es wird erwartet, dass diese sogenannten „extreme mass ratio inspirals“ (EMRIs) dort vorkommen, wo viel los ist: in den Zentren von Galaxien oder in dichten Sternhaufen. Äußere Einflüsse der Umgebung auf das verschmelzende Doppelsystem sollten ihre Fingerabdrücke in den Gravitationswellen hinterlassen. So ergäbe sich eine neue Möglichkeit, die Verteilung von Gaswolken, Dunkler Materie und Sternen in der Umgebung des schweren Schwarzen Lochs zu untersuchen.

Enge Doppelsterne in unserer Heimatgalaxie

Forschende gehen davon aus, dass es in unserer Milchstraße rund 10 Millionen enge Doppelsternsysteme gibt, die aufgrund ihrer Bahnbewegung Gravitationswellen in dem Frequenzbereich abstrahlen, den LISA beobachten wird. Bereits jetzt sind einige Dutzend Doppelsysteme in unserer Galaxie bekannt, deren Gravitationswellen LISA garantiert beobachten wird. Bei diesen Verifikationsobjekten ist klar, dass sie aufgrund ihrer bekannten Umlaufzeiten und Entfernungen zur Erde starke Gravitationswellen in LISAs Beobachtungsband abstrahlen. Sie werden dazu dienen, die Instrumente und die Datenanalyse nach Missionsbeginn zu prüfen und zu kalibrieren.

In den meisten Fällen sind die Gravitationswellen zu schwach, um sie bestimmten Doppelsystemen zuordnen zu können. Wie das Stimmengewirr auf einer großen Party, in dem sich keine individuellen Stimmen identifizieren lassen, erzeugen die vielen Doppelsysteme ein nicht zu entwirrendes Gravitationswellen-„Gemurmel“. Die lautesten Signale von rund 10.000 Doppelsternen – die meisten von ihnen aus zwei Weißen Zwergen – werden sich mit LISA einzeln identifizieren lassen. Bei einigen Hundert werden zudem Beobachtungen im elektromagnetischen Spektrum möglich sein.

LISA wird Gravitationswellen von Doppelsystemen mit sehr kurzen Umlaufzeiten (<15 min) in der gesamten Milchstraße messen und so eine neue Karte ihrer Verteilung erstellen. Diese Beobachtungen dringen in Bereiche vor, die mit bisherigen Observatorien schwierig oder gar nicht zu erreichen sind. Sie vervollständigen das Bild unserer Galaxie und werden es Forschenden erlauben, indirekt die Masse aller Sterne in der Milchstraße zu ermitteln.

Es brummt der Gravitationswellenhintergrund

Der von den Doppelsternsysteme in unserer Galaxie erzeugte Gravitationswellenhintergrund ist so „laut“, dass er in einem bestimmten Frequenzbereich andere Gravitationswellen-Signale überdecken und das instrumentelle Rauschen übertreffen kann. Doppelsysteme und deren Verschmelzungen außerhalb unserer Milchstraße dürften einen deutlich schwächeren Hintergrund erzeugen. Beobachtet LISA dieses Signal, so lassen sich daraus Rückschlüsse auf die Häufigkeit dieser Verschmelzungen im Verlauf der kosmischen Geschichte ziehen.

Auch Gravitationswellen aus der Frühzeit unseres Universums könnte LISA als Hintergrundsignal beobachten. Mögliche Ursachen dafür wären exotische Phänomene jenseits des Standardmodells wie die Inflationsphase, kosmische Strings oder primordiale Schwarze Löcher. LISA kann auch hier einzigartige Beiträge dazu leisten, unser Verständnis dieser Objekte zu verbessern und ihre bislang nur postulierte Existenz zu überprüfen.

LISA wird präzise Tests von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie und Erweiterungen dieser Theorie ermöglichen. Möglicherweise gibt es eines Tages auch Überraschungen und es tauchen bei der Untersuchung von LISA-Daten vollkommen neue Signale auf, die nicht den Erwartungen und physikalischen Modellen der Forschenden entsprechen und sie vor ein Rätsel stellen. Die Instrumente und die Datenanalyse sind daher so angelegt, dass es möglich ist, solche „unmodellierten“ Quellen aufzuspüren.

LISA auf dem Weg ins All

Dass LISAs extrem anspruchsvolle Messungen gelingen werden, hat die ESA-Mission LISA Pathfinder zwischen 2015 und 2017 gezeigt. Dabei wurden Schlüsseltechnologien wie beispielsweise die Laser-Interferometrie, die Kontrolle der Testmassen und die feinfühligen Steuerdüsen für LISA getestet, deren Funktionsfähigkeit demonstriert und sogar die Anforderungen von LISA an die erforderliche Präzision übertroffen.

Video: Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik / Milde Marketing

Das interferometrische Messprinzip von LISA kommt bereits seit dem Sommer 2018 an Bord der zwei Satelliten von GRACE Follow-On zum Einsatz. Die Satelliten umrunden die Erde und vermessen mithilfe von Laser-Interferometrie Änderungen ihres gegenseitigen Abstands auf Nanometer genau. In den ermittelten Abstandsänderungen stecken Informationen über das irdische Gravitationsfeld und dessen zeitliche Änderung, was es wiederum ermöglicht, das Abschmelzen von polaren Eismassen und Veränderungen im globalen Grundwasserpegel zu verfolgen. LISA-Technologie hat also bereits heute vor dem Start der eigentlichen Mission praktische Anwendungen in der Klimaforschung gefunden.

Anfang 2024 hat die ESA die LISA-Mission fest in ihrem Programm verankert und bestätigt, dass sie ausgereift ist und ihre Entwicklung wie geplant fortgesetzt werden kann. Für LISA begann damit die Umsetzungsphase, in der die Auswahl eines industriellen Hauptauftragnehmers, die vorläufige und die kritische Entwurfsprüfung die nächsten wichtigen Meilensteine vor dem geplanten Start im Jahr 2035 sein werden. Das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) an den Standorten Hannover und Potsdam spielt eine führende Rolle bei der Umsetzung der Mission: bei der Entwicklung von Schlüsselkomponenten der Hardware sowie bei der Modellierung der Quellen, der Datenanalyse und der Auswertung der wissenschaftlichen Ergebnisse.

Weitere Informationen

Zu einem Einstein-Online-Artikel über LISA aus dem Jahr 2010 von Peter Aufmuth geht es hier.

Kolophon
Benjamin Knispel

ist Astrophysiker und Pressereferent am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Hannover.

Zitierung

Zu zitieren als:
Benjamin Knispel, “Mit LISA Gravitationswellen im Weltall beobachten” in: Einstein Online Band 15 (2024), 1101